Offener Brief an die Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen

Die Petition wurde ja vom Ausschuss für Petitionen abgeschmettert, heute habe ich per Mail den offenen Brief an die Vorsitzende des Petitionsausschusses Ulrike Königsberger-Ludwigbekommen und veröffentliche den einfach mal nach dem Klick.

OFFENER BRIEF DER INITIATORiNNEN DER PETITION SOS ÜBERWACHUNG AN
Ulrike Königsberger-Ludwig, Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen
und Bürgerinitiativen des Österreichischen Nationalrates

Wien, 4.6.2008

Betr.: Offener Brief zur Behandlung der Petition bez. der Novelle des
Sicherheitspolizeigesetzes durch den Petitionsausschuss des österreichischen
Nationalrates

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig!

Als Initiatoren der Petition zur Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes haben wir
aus den Zeitungen entnommen, dass unsere Petition nun im Petitionsausschuss des
Parlaments abschließend behandelt und für erledigt erklärt wurde. Der Ausschuss
hat auch die Petition nicht, wie wir gefordert hatten, an den zuständigen
Innenausschuss weitergeleitet. Der Ausschuss argumentiert, dass der zuständige
Innenminister in seiner Stellungnahme alle offenen Fragen ausreichend beantwortet
hätte.

Bevor wir auf diese Stellungnahme kurz eingehen √¢‚Ǩ‚Äú eine längere Behandlung würde
ja die von uns geforderte offene und auch breitere Diskussion benötigen √¢‚Ǩ‚Äú eine kurze
Anmerkung:

Die Petition wurde von Informatikprofessoren und der ehemaligen Vorsitzenden der
österreichischen Richtervereinigung initiiert. Der österreichische Staat und das
Parlament vertrauen diesen Berufsgruppen die unabhängige Rechtsprechung und
die Ausbildung unseres akademischen Nachwuchses an. Und beide beschäftigen
sich mit dem Gegenstand der Novelle quasi von Berufswegen. Sollte man die
Bedenken Vertretern dieser Gruppierungen und mehr als 24.000 Unterschriften nicht
ernster nehmen (anstatt sich mit einer zweiseitigen Stellungnahme zu begnügen) und
in eine Diskussion eintreten, anstatt diesen Protest gleichsam endgültig zu
entsorgen.
Sind die öffentlich gewordenen Ungereimtheiten im Sicherheitsapparat
nicht Warnung genug, wo es hier doch um digitale Bürgerechte geht?
Zudem wurde ja eine ähnliche grundsätzliche Kritik auch von Wirtschafts- und (Telekomm und ecommerce)
Industrievertretern geübt.

Zu den Argumenten der Stellungnahme des Innenministeriums:

Inhalts- und Verkehrsdaten
Nach herrschender Lehre und auch ständiger Rechtsprechung unterliegen nicht nur
die Inhaltsdaten dem Fernmeldegeheimnis (also WAS wird kommuniziert), sondern
jedenfalls auch die Verkehrsdaten (WER kommuniziert mit WEM). Selbst wenn nur
die Inhaltsdaten geschützt wären, sind im Internet die Verkehrsdaten derart
“informationell angereichert”, weshalb sie mit Inhaltsdaten gleichzusetzen sind.
Ortung von Personen
Bezüglich der Ortung von Personen durch mitgeführte Handys ist der Einsatz von so
genannten IMSI-Catchern ungeeignet bzw. technisch nicht sinnvoll oder sogar
kontraproduktiv (z.B. beim öfter vorgebrachten Argument der
Lawinenverschüttetensuche). Darüber hinaus können IMSI-Catcher auch zum
Abhören von Telefonaten verwendet werden, was insbesondere ohne richterliche
Kontrolle und Benachrichtigung der Abgehörten bedenklich erscheint.

Befassung des Innenausschusses
Wie Sie dem Text der Petition entnehmen können, haben wir uns mit einem
bestimmten Anliegen an den Nationalrat gewandt. Wir wollten, dass der
Petitionsausschuss unsere Petition dem Innenausschuss zuweist, um so eine
erstmalige Befassung des Innenausschusses mit der Novelle zum SPG zu erreichen.
Die Novelle zum SPG ist bekanntlich nicht im Innenausschuss des Nationalrats
beraten worden. Mit Ihrer Enderledigung haben Sie dem Innenausschuss eine
weitere Möglichkeit genommen, sich mit der Novelle zu befassen.

Keine Begutachtung des IP-Adressen Aspekts
Der Innenminister stellt gegenüber dem Petitionsausschuss fest: √¢‚Ǩ≈æDie
gegenständliche Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz wurde einer umfassenden
Begutachtung unterzogen.√¢‚Ǩ≈ì Das ist, soweit es die Überwachung von IP-Adressen
betrifft, unrichtig. Die sogenannte Beauskunftung dynamischer IP-Adressen wurde
erst kurz vor der Beschlussfassung in Form eines Abänderungsantrags ins Plenum
des Nationalrates eingebracht. Damit war weder eine Befassung des
Justizministeriums noch eine Begutachtung durch Sozialpartner, Verfassungsdienst,
Rechtsanwaltskammer, Datenschutzkommission und Provider möglich.

Richterliche Kontrolle
Abschließend möchten wir anführen, dass die Stellungnahme nicht auf eine
wesentliche Forderung der Petition eingeht: Die Novelle zeichnet sich durch das
völlige Fehlen der richterlichen Kontrolle aus. Der vom Innenminister ernannte
Rechtsschutzbeauftragte kann die unabhängige Kontrolle nicht ersetzen. Ein
wesentliches Element unserer Verfassung, die Gewaltentrennung zwischen
Legislative, Exekutive und Judikative, wird schlichtweg ignoriert und in der
Stellungnahme nicht einmal erwähnt. Dies sollte doch auch bei Ihnen als einer
Vertreterin der legislativen Macht in unserem Staat zu Bedenken führen.
Wir sind uns aber durchaus bewusst, dass auch dieser Brief kein wirkliches
Umdenken Ihres Ausschusses bzw. der Regierungsparteien bewirken wird. Nehmen

Sie ihn aber als den Ausdruck der weiter bestehenden Kritik von uns als Personen,
die hier keine Eigeninteressen verfolgen, sondern denen die Bürgerrechte und deren
Erhaltung ein Anliegen sind. Wir sollten die zunehmende „Digitalisierung“ unserer
Gesellschaft als eine Chance begreifen, und diese nicht zur digitalen Überwachung
missbrauchen.

Hochachtungsvoll

Univ.Prof. Dr. Gerald Futschek, TU-Wien und Präsident OCG (e.h.)
Dr. Barbara Helige, Richterin (e.h.)
Univ.Prof. Dr. A Min Tjoa, TU-Wien (e.h.)
Univ.Prof. Dr. Hannes Werthner, TU-Wien (e.h.)

Comments are closed.